top of page

Warum uns die Schule nicht auf das Leben vorbereitet

  • 18. Apr. 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Apr. 2018


ree

„Habt ihr Vertretungsmaterial bekommen?“ Schweigen. Vielleicht ein leichtes Kopfschütteln der Klasse. Dann der Satz: „Ja, wir sollen eine dreiseitige Textanalyse schreiben. Der Lehrer hat eine Mail geschrieben“. Ein zufriedenes Lächeln des Vertretungslehrers als Antwort, von dem Rest der Schüler vernimmt man ein genervtes Stöhnen. Gerade ist ihr Traum von einer ruhigen Unterrichtsstunde mit Musik hören, ratschen und Handy spielen zerplatzt. Nur dieser eine Schüler fängt an, munter drauflos zu schreiben, er hat wohl noch nicht gemerkt, dass sein Ansehen nun in den Minusbereich gefallen ist.

Wahrscheinlich hast du diesem einen Schüler bereits einen Namen gegeben. Ich muss zugeben, das habe ich auch. Ihn gibt es nun einmal in jeder Klasse, natürlich mal stärker und mal schwächer ausgeprägt. Er ist das Sinnbild eines Strebers, einer Petze, und er ist derjenige, der immer bei den Klausuren die höchste Mauer um sich herum errichtet. Dabei wurde uns bereits in der Grundschule von unseren Lehrern und Eltern gelehrt, nicht zu petzen. Es ist eine soziale Kompetenz. Wo dieser eine Schüler, nennen wir ihn Max, wohl zu dieser Zeit war? Vermutlich hat er die Grundschule übersprungen.

In der Schule lernen wir viele solcher wichtigen Werte, die uns zu emotional intelligenten Menschen machen sollen. Aber sind es auch die richtigen? Beginnen wir mit „nicht petzen“. Wir müssen unseren Mitmenschen vertrauen und egal in welcher Situation auf sie zählen können. Wir gehen mit Ihnen durch dick und dünn. Solidarität gehört zu den wichtigsten Grundwerten der Gesellschaft, denn nur zusammen sind wir stark. Wer hat die Tafel vollgekritzelt und den Schwamm versteckt? Man sagt es nicht, so haben wir das in der Schule gelernt. Nun überträgt man dieses Verhalten auf die Welt außerhalb der Schule. Wer hat den Bahnhof mit hässlicher Graffiti voll gesprüht und den Fahrkartenautomaten kaputt gemacht? Man schweigt, weil wir es in der Schule so gelernt haben. Man verpetzt Freunde nicht.

Doch auf der anderen Seite werden die Leute zum Petzen motiviert, indem eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt wird. Oder die Justiz, die gegen Mittäter im Zusammenhang mit der Kronzeugenregelung mildere Strafen verhängt, wenn sie die anderen „verpetzen“.

Ab wann ist das Petzen richtig, wann macht es uns zu unsozialen Wesen? Die einfachste Antwort wäre: Petzen sollte immer richtig sein. Doch wenn ich danach handeln würde, hätte ich jetzt keine Freunde und Familie mehr. Aber wo zieht man dann die Grenze? Gar nicht. Man sollte keine Grenze ziehen müssen, denn Kindern sollte gar nicht erst beigebracht werden, die Wahrheit zu verschweigen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, dass in der Schule vermittelt wird, deckt sich nicht mit den Erwartungen an unser späteres Ich, dabei sollten doch die Schüler mit Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet werden, die für das spätere Leben in Beruf und Gesellschaft erforderlich erscheinen. Wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, keine Missetaten sollen verdeckt bleiben. Wir sollen kein Streber in der Schule sein, aber man will Streber als Mitarbeiter, Freund, Kollege, Politiker. Man will Leute, die immer ihr Bestes geben. Was bringen der Gesellschaft die coolen, beliebten Jungs aus der Schule, die immer schlechte Noten schrieben, null Bock hatten und sich nie an die Regeln hielten? Wir wollen keine korrupte, chaotische Gesellschaft. Sofort nach dem Schulabschluss wird der Schüler in eine Welt katapultiert, in der er Höchstleistungen und beste Noten präsentieren muss, um andere Studien– oder Arbeitsplatzbewerber abzuhängen. Die in der Schule vermittelten Werte bereiten den Schüler nicht auf das Leben vor, streben ist heute notwendig. Wir wollen Maxe.

Unser Schulsystem ist reformbedürftig und die Vermittlung von falschen Werten ist nur ein Aspekt davon. Jeder Schüler wird in eine einzige Form gedrückt, das ist so, als würde ein Arzt jedem seiner Patienten das gleiche Medikament verabreichen. Ein Medikament, das längst abgelaufen ist. Wenn man sich das erste Telefon anschaut und es mit der heutigen Version vergleicht, so erkennt man es fast nicht wieder. Wenn man das erste Auto mit dem heutigen vergleicht, so erkennt man es nicht wieder. Allerdings erkennt man bei den Schulen von vor 100 Jahren und heute keine große Veränderung (Richard Williams). Die Schule formt den Menschen. Sie backt ihn sich nach einem Konzept und Werten, die von Politikern festgelegt werden. Von einer Generation, die nicht bereit ist loszulassen und nicht einsehen will, dass die heutigen Kinder die Zukunft sind. Wie kann man von Kindern erwarten, richtig zu handeln, kreativ und innovativ zu sein, wenn ihre Vorbilder ihnen genau das Gegenteil lehren.

Kommentare


Über uns

Wir sind eine Gruppe, die ihr Wissen und Talent mit den anderen Schülern teilen will und durch ihre Arbeit mehr lernen möchte. Wir wollen, dass durch diese Zeitung die Schüler über verschiedene Themen Neues lernen und eine eigene Meinung über diese bilden. Unser Team will nicht nur Interessen erwecken, sondern auch die ganze Schülerschaft einen und Unterstützung für alle bieten.

 

mehr lesen

 

  • White Facebook Icon
  • Instagram Social Icon

© 2018 by Humboldt Schülerzeitung San José

bottom of page